Hygienepranger oder Veröffentlichung lebensmittelrechtlicher Verstöße durch Kontrollbehörden

07. Mrz 2024

Hygienepranger oder Veröffentlichung lebensmittelrechtlicher Verstöße durch Kontrollbehörden

§ 40 Abs. 1a LFGB verpflichtet die Überwachungsbehörden, die Öffentlichkeit über bestimmte lebensmittelrechtliche Verstöße unter Nennung des betroffenen Lebensmittels und des Unternehmens unverzüglich zu informieren. Dafür genügt es, wenn ein hinreichend begründeter Verdacht besteht, dass

  • Grenzwerte oder gesetzlich festgeschriebene Höchstmengen überschritten worden sind;
  • ein nicht zugelassener oder verbotener Stoff ins Lebensmittel gelangt ist oder
  • gegen sonstige Vorschriften, die dem Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist oder eine Sanktionierung wegen einer Straftat zu erwarten ist und deswegen gemäß § 41 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft erfolgt ist.

Gut zu wissen:

  1. Die Behörde hat kein Ermessen, wenn die Voraussetzungen der Norm erfüllt sind, muss sie die Öffentlichkeit informieren.
  1. unverzüglich“ meint, dass zwischen Probennahme und Veröffentlichung nicht mehr als 3 Monate liegen sollten (VG München, Beschluss v. 24.04.2023 – M 26b E 23.1528 – Veröffentlichung nach 4 1/2 Monaten nicht mehr unverzüglich)
  1. Zur Frage, ob tatsächlich eine Sanktionierung des Unternehmens wegen des Verstoßes zu erwarten ist, muss die Behörde ausreichend ermitteln, das OVG Niedersachsen, Beschluss v. 22.02.2023 – 14 ME 357/22 – hat dies hier verneint und die Veröffentlichung gestoppt.
  1. Im Rahmen der Veröffentlichung ist das betroffene Lebensmittel hinreichend konkret zu bezeichnen. Formulierungen wie „Überschreitung der zulässigen Höchsttemperaturen bei Rind- und Geflügelfleisch“ und unhygienische Zustände bei „z.B. Fleischzubereitungen“ sind nicht konkret genug. Der Verbraucher soll durch die staatliche Information aber erkennen können, welches Lebensmittel (vorliegend: Dönerspieße) betroffen ist, VG Berlin, Beschluss v. 02.02.2023 – 14 L 1272/22.
  1. § 40 Abs. 1a LFGB erfasst nur Verstöße gegen hygienische Anforderungen, die sich einem konkreten Lebensmittel zuordnen lassen. „Mängel bei der Betriebshygiene“ bzw. „unhygienische Zustände“ bei sämtlichen Lebensmitteln des Betriebs sind mangels Zuordnung zu einem konkreten Lebensmittel nicht zu veröffentlichen, VG München, Beschluss v. 06.04.2023 – M 26b E 23.186.
  1. Ungeklärte Rechtsfragen dürfen nicht zum Gegenstand einer Veröffentlichung gemacht werden, nur wenn die Novel-Food-Eigenschaft eines Lebensmittels (hier Maqui-Beeren-Extrakt) zweifelsfrei feststeht, kann von einem nicht zugelassenen oder verbotenen Stoff ausgegangen werden, so VGH München, Beschluss v. 11.05.2023 – 20 CE 23.626

Die Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB stellt einen massiven Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen dar. Sie berührt zwar die Berufsfreiheit nicht unmittelbar, kommt aber einem Eingriff in die Berufsfreiheit in ihrer Wirkung gleich, vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 – 1 BvF. Die tatbestandlichen Anforderungen des § 40 LFGB sind daher eng auszulegen.

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